Mofi und Schadi, die Friedenstaube

Mofi und Schadi, die Friedenstaube

Manchmal erzählen die alten Frauen wundersame Geschichten, während sie ihre müden Knochen vom Feuer wärmen lassen.

Die Geschichte von «Schadi» der Friedens Taube

Erzählt von einer der drei Ältesten im Kreis und sie beginnt mit den Worten:

Diese Geschichte spricht direkt zu deinem Herzen – vielleicht auch zuerst zu deinem Bauch. Wie auch immer, sie ist schon so alt, dass ich nicht mehr zählen kann, wie viele Herzen und Bäuche sie schon bewegt hat.

Es war an einem regnerischen und wechselhaften Nachmittag.

Mofi sass am Rand eines kleinen Sees und blickte betrübt ins Wasser. Sie konnte sich nicht vorstellen wie es weitergehen sollte. Nicht genug, dass ihr das Herz fast brach, weil die Situation mit Mato erneut eskalierte. Nein. Mofi fühlte sich so ungeliebt, unverstanden und wütend, dass ihre Stimmung zwischen toben, wut, schreien und weinen auf und ab ging. Sie hätte am liebsten all das herausgeschrien, aber das ging nicht. In unmittelbarer Nähe lag ein Bauernhof und wenn die das mitbekamen, machte es die ganze Sache nur noch schlimmer, das zumindest wusste Mofi ganz sicher.

Ganz in ihren Stimmungen versunken, hin und her gerissen, sass Mofi an ihrem Lieblings Ort, ein paar Meter vom Wasser entfernt. Der kleine See war eigentlich eher ein Tümpel, der sich bei starkem Regenfall zu einem kleinen See entwickelte. Wie Ebbe und Flut, dachte Mofi, und begann sich bei diesen Gedanken unmerklich etwas zu entspannen.

Es wurde unbequem und Mofi schaute sich nach einer bequemeren Lösung um. Da, nur ein paar Meter entfernt lag ein grosser, von der Sonne erwärmter Stein. Er war gross genug, sich hinzulegen für einen Moment und die Augen zu schliessen. Diese Vorstellung passte, und Erschöpft wie sie war, bemerkte sie gar nicht, wie sie einschlief.

Nun musst Du wissen, dass manchmal die Traumzeit realer ist als die Illusion von Leben, wie wir es kennen und so erging es Mofi auf ihrem von der sonne gewärmten Stein.

Mofi sass an an einem kleinen See. Das Wasser war aufgewühlt, ein Schwanenpaar war auf der Suche nach essen und entsprechend war das Wasser – unruhig.

Mofi beobachtete die Szene und wartete, bis sich die Wasseroberfläche wieder beruhigt hatte. Während sie den Schwänen nachschaute, beruhigte sich nicht nur das Wasser, sondern auch ihre Stimmung, denn Mofi war wütend gewesen, enttäuscht und fühlte sich schuldig. Während sie vor sich hin grübelte, wurde sie abgelenkt. Gerade noch knapp in ihrem Blickfeld, auf der rechten Seite, hatte sich etwas bewegt!

Neugierig geworden, drehte Mofi ganz langsam ihren Kopf und schaute direkt in die Augen einer weissen Taube. Diese sass still und anscheinend entspannt auf einem Stück nassem Treibholz, das an Land gespült worden war. Noch bevor Mofi einen weiteren Gedanken fassen konnte, hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf und die Sprach: Mein Name ist Schadi, man nennt mich auch die Friedens Taube. Warum machst Du dir so viel Gedanken, Menschenkind? Ja – die weisse Taube sprach mit Mofi , und diese traute ihren Ohren nicht, was auch richtig war, denn die Stimme war in ihrem Kopf!

Nachdem sie sich etwas gefasst hatte sagte sie oder besser dachte Mofi:

Ich bin traurig, wütend, gefrustet, enttäuscht, und noch einiges mehr und das alles wird mir zu viel. Ich möchte nur Pause im Kopf und Bauch und Frieden – ja Frieden. Mit mir und mit Mato – aber hauptsächlich und zuerst mit mir. Ich mag einfach nicht mehr .

Während Mofi ihren Emotionen und Worten freien Lauf liess, hörte Schadi aufmerksam zu. Es folgte eine Pause und die nächste lautete:

«Wenn jeder deiner Gedanken, Emotionen und Gefühle ein Vogel wäre – wie würdest Du ihn halten?

Aber dass ergab jetzt wirklich keinen Sinn. Gedanken und Emotionen Vögel? Zu abstrakt, was sollte diese Frage und wozu sollte die gut sein, dachte Mofi?

Schadi verstand und erklärte: «Manche Vögel leben in einem Käfig. Einige sogar in einem goldenen. Andere leben frei. Es gibt diejenigen welche die Chance nutzen um in die Freiheit zu fliegen, sobald ihr Halter aus Unachtsamkeit die Käfigtüre offenstehen lässt. Und dann gibt es noch diejenigen die in ihrem Käfig sitzen bleiben, auch wenn sie in die Freiheit fliegen könnten.

Verstehst Du jetzt?

Mofi dachte nach. Ich glaube ja, jetzt weiss ich was Du meinst. Wenn Gedanken und Emotionen Vögel wären, dann würde ich sie nicht in einem Käfig halten. Und langsam, wie ein schöner Sonnenaufgang an einem klaren Tag, begann Mofi zu ahnen, wohin diese Frage führen sollte – aber noch war es nicht soweit.

Soviel verstand Mofi bereits, dass die Friedenstaube ihr klar machen wollte, dass sie diejenige war, die den «Käfig der Gedanken und Emotionen» bewachte und somit die Gedanken und Emotionen nicht frei lassen, loslassen konnte. Mofi fiel ins Grübeln. Aber was soll ich mit dem anfangen? Was hilft es mir, das zu wissen?

Schadi machte ihr einen Vorschlag: Du weißt ja, warum Du wütend und all das andere warst. Mit dir selbst und mit Mato. Stell dir vor, ich nehme all dies in einem kleinen, silbrigen Röhrchen mit mir mit. Gut verschlossen und sicher.

Was wäre, wenn Du Frieden hättest, mit dir und Mato, der Situation? Wenn all diese bedrückenden Gedanken, Emotionen wie von Zauberhand von dir weg und diesem Silberröhrchen gezogen und aufgenommen würden?

Wenn dir diese Vorstellung gefällt, dann schlage ich vor, dass Du noch einmal die Szenen, die dich hierhergebracht haben, deine Emotionen und Gedanken im Geiste durchgehst und dann schaust, was passiert.

Mofi war skeptisch aber die Worte der Friedens Taube machten sie neugierig. So ging sie nochmal in Gedanken zurück zum Streit, zurück zu wie sie sich fühlte. Es war ja noch ganz frisch und während sie erneut alles Durchlebte sah sie, wie plötzlich kleine schwarze Wölkchen aus ihrem Bauch kamen. Diese bewegten, manche wanden sich, und wurden von dem Silberröhrchen wie magisch angezogen. Es schien so, dass all die Emotionen und Gedanken in ihrem Bauch nur darauf gewartet hatten, loszufliegen – wie die Vögel... Etwas anderes stellte Mofi staunend fest: Sie fühlte sich schon viel besser! Sie konnte zwar nur beobachten jedoch nicht erklären was da passierte, aber es war egal. Sie liess es einfach zu und beobachtete interessiert die Formen, die ihren Bauch verliessen. Wölckchen für Wölckchen, manche etwas grösser, heller oder kleiner und dunkler, bis auch das letzte, welches ihren Bauch verlassen wollte, im Silbernen Röhrchen verschwunden war.

Die Friedenstaube wartete geduldig, und als auch das letzte Wölckchen sicher im Silbernen Röhrchen war, schloss sich dieses wie von Zauberhand, eben magisch.

Schadi nahm das Röhrchen vorsichtig in eine ihrer Klauen und sagte zu Mofi:

Ich werde es mit mir nehmen. Es gibt einen wunderschönen Wasserfall in der Nähe, dort werde ich es abwerfen. Sobald es die Wasseroberfläche erreicht, wird es sich öffnen und alles was darin war wird im Wasser verschwinden. Es wird nicht mehr bei dir, bei mir oder bei irgendwem sein. So sei es!

Mofi lauschte gespannt und ihre letzte Frage war: bedeutet das, dass all die Wut etc. wegen unsreres Streites aus meinem Bauch weg sind? Nicht mehr bei mir und mit mir? Wie ein Vogel, der den Käfig verlassen hat?

So ist es, hört Mofi noch die Stimme in ihrem Kopf und die Taube setzt zu ihrem Flug an. Mit ihr das Silberröhrchen. Nicht lange und Mofi sieht Shadi nur noch als ganz kleinen Punkt am Himmel und da Da wacht sie auf –

Was war das? So real... ein Traum oder wahr und im gleichen Moment hört sie eine leise Stimme, wie ein Echo in ihr die sprach: lass den Vogel fliegen, er nimmt mit was Du nicht mehr brauchst. Lass ihn frei und kümmere dich gut um deinen Bauch.

Mofi fühlte sich ausgeruht, ruhig und friedlich fröhlich – als wäre all das was sie zu Anfang an den See getrieben hatte, in weiter Ferne – nur noch ein Echo einer Geschichte.

Und so endet die Geschichte von Shadi, der Friedenstaube.

Die anderen Frauen klatschen in ihre Hände und freuen sich. Auch wenn sie die Geschichte schon gefühlte 1000 mal gehört haben, sie scheint mit jedem Mal etwas anders auszufallen und so ist das mit den guten Geschichten.

Autorin

Nika M Fischer

10/2019

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